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Das Wrack des Unglaublichen

Was hat Kunst mit alternativen Fakten zu tun? Mittlerweile vieles. Der Künstler Damien Hirst liefert den Beweis. Im Jahr 2008 fand man auf dem Grund des Indischen Ozeans ein riesiges Schiff voller Schätze, das »Wrack des Unglaublichen« (»Apistos«). In seinem Inneren: 100 Statuen und Torsi von Pharaonen, Göttinnen und Dämonen, Masken und andere, teils mit Korallen, Algen und Seewürmern bedeckte Objekte aus Afrika, China, Griechenland, Indien – alles Besitztümer des ehemaligen Sklaven Cif Amotan II, der nach seiner Freilassung zu großem Reichtum gelangt war. Die Bergung dieser einzigartigen Sammlung nahm fast zehn Jahre in Anspruch und wurde von dem schwerreichen Künstler Damien Hirst mitfinanziert. Zu bestaunen waren die Schätze im Frühjahr 2017 auf der Biennale in Venedig, verteilt über zwei Museen, die dem Unternehmer, Multimilliardär und Kunstsammler François Pinault gehören. Im Atrium des Palazzo Grassi wird man von einem über 18 Meter hohen mesopotamischen Dämon begrüßt, der Kopie einer kleineren Bronze, die man auf dem Schiff fand. Eine Unterwasser-Videodokumentation zeigt die aufwendigen Bergungsarbeiten. Man schreitet durch die Säle voller Kostbarkeiten aus Bronze, Jade, Achat, Carrara-Marmor …

Alice und Bob #2: Im Nebel

Alice und Bob joggten am Strand entlang und Bob sann noch ihrem letzten Gespräch über die Natur nach. Er sagte sich, dass dieser Strand und das Meer, wie sie waren, ganz sicher zur Natur zählten, denn auch sie waren ja im Laufe der Zeit so geworden, wie sie jetzt waren, ganz ohne (oder wenigstens fast ohne) Zutun der Menschen. Plötzlich wurde es neblig, der Nebel war wohl unmerklich vom Wasser aufgestiegen und waberte nun über das Land. Bob griff nach Alices Hand: „Ich sehe nichts!“. Spöttisch zog Alice ihre Hand zurück: „Du siehst noch den Sand zu deinen Füßen, und da, die Wellen siehst du auch noch. Sand und Wellen sind nicht Nichts.“ Bob ahnte schon, was kommen würde, trotzdem wandte er ein: „Ja, ich sehe noch ein bisschen vom Strand und vom Wasser, aber wenn ich weiter schaue, dann sehe ich sonst – Nichts!“ Alice lachte: „So so, du siehst also das Nichts. Wie sieht es denn aus, das Nichts?“ Bob hatte keine Lust auf philosophische Spitzfindigkeiten: „Ich rede nicht von ‚dem Nichts‘ – …

Im Alten Griechenland #1: Das Schwierige

In seiner Kolumne »Im Alten Griechenland« streift Jörg Phil Friedrich durch die Denkwelt der alten Meister. Im ersten Teil trifft er auf Thales und fragt ihn: Was ist das Schwierigste? Ich hatte mich auf eine lange Reise begeben. Mein Ziel war der Anfang, die Quelle des Stroms, von dem wir uns heute noch ernähren. Die Gegend, die ich erkunden wollte, deren Bewohner ich kennenlernen wollte, lag ganz im fremden Inneren unserer Welt, die Reise war zugleich eine Wanderung auf höchste Berge wie sie eine Erkundung tiefster Erdschichten war. Die Leute, die ich treffen wollte, sprachen eine fremde Sprache, auch wenn mir viele Worte, die sie hatten, vertraut vorkamen, wusste ich doch, dass ich den Bedeutungen, die ich kannte, nicht trauen konnte. Zwar gab es viele freundliche Dolmetscher, aber ich hielt es für klug, mir ein paar dicke Wörterbücher einzupacken, mit deren Hilfe ich den Sinn dessen erkunden wollte, was mir die Weisesten der Leute dort, wie ich hoffte, anvertrauen würden. Ohne Halt hatte ich fast bis ganz in den innersten und ältesten Bezirk dieses Landes …

Alice und Bob #1: In die Natur

Was ist die Natur? Und wodurch unterscheidet sie sich von der Wildnis? Jörg Phil Friedrich nähert sich in seiner neuen Kolumne großen philosophischen Themen und Begriffen durch die Erlebnisse zweier Hauptfiguren: Alice und Bob. „Lass uns hinaus in die Natur fahren!“ hatte Bob am Morgen vorgeschlagen. Alice war skeptisch: „Wo soll denn das sein?“ fragte sie. Bob, der auf schwierige Fragen beim Frühstück noch keine Lust hatte, antwortete einfach: „Lass dich überraschen!“ Nun radelten sie über schmale Straßen durch Felder und Wälder, Bob genoss die Luft und den Anblick der Bäume und Pflanzen. An einer Bank, die am Wegesrand stand, machten sie Rast. Bob wollte wissen, wie Alice die Landschaft gefiel. „Ganz schön“ antwortete diese, dann fragte sie mit spöttischem Lächeln: „… und wann kommt die Natur?“ Bob hoffte noch, der philosophischen Diskussion entgehen zu können: „Schau dich um, die Wälder, die Bäume, das alles ist doch Natur!“ Natürlich ließ Alice nicht locker: „Natur? Das ist doch alles künstlich angelegt, der Wald ist ein Forst, die Bäume sind gezüchtet, die Felder sind auf hohen Ertrag …

Wer rettet den Helden? Ausgabe 4/19 ist da

Als Kind finden wir Helden und ihre Geschichten meistens toll. Doch heute steckt das Heldentum in der Krise. Helden haben – historisch ausnahmslos Männer – ein schlechtes Image. Niemand braucht mehr solche Kraftkerle, die sich selbst und anderen andauernd etwas beweisen müssen. Dennoch brauchen wir immer noch Menschen, die mutig Entscheidungen treffen, die andere beschützen und für eine gerechte Sache ein­ treten. Der Held braucht also eine General­überholung! In unserem neuen Titelessay werfen wir einen Blick auf die mythologischen Ursprünge des Helden und seine aktu­elle Lage – und fragen, was vom tradierten Heroismus übrig geblieben ist. Spätestens seit der #MeToo-Debatte ist der Feminismus aus der öffentlichen Debatte nicht mehr wegzudenken. Im Schwerpunkt des neuen Hefts machen wir eine eine kritische Bestandsaufnahme und stellen vier Thesen zum modernen Feminismus auf. Weitere Themen: Das Gute am Nützlichen. Die Seele der Natur. Arthur Schopenhauer und seine Welt. Ist die Kultur am Ende? Warum nichts Neues passiert. Deutsche Comedy: Gute-Laune-Populismus? Und im großen Interview sprechen wir mit dem US-Politikwissenschaftler Francis Fukuyama über seine Kritik an linker und rechter Identitätspolitik …

Die Deutschen und ihr Auto

Dieses Land hat ein romantisches und imperiales Verhältnis zum Fahren. Dem gehorchen sowohl Kfz-Besitzer wie auch die Industrie. Bloß bringt das niemanden in die Zukunft. Warum die Deutschen das Auto loswerden sollten. Den ganzen Essay von HOHE LUFT-Chefredakteur Thomas Vašek finden Sie hier auf ZEIT online: https://www.zeit.de/kultur/2019-04/deutsche-autofahrer-autobranche-bedeutung-symbol

Mit den anderen leben

„Mit Rechten reden?“ Soll man, darf man, muss man? Heftig wird in den Feuilletons über diese Fragen debattiert. Leider immer sehr prinzipiell und pauschalisierend. Immer lässt das Ergebnis nur zwei Antworten zu. Ja oder Nein. Entweder – Oder. So zu antworten ist nicht nur realitätsblind, sondern auch wenig konstruktiv. Im wirklichen Leben geht es nicht nur um „ob überhaupt“. Es geht auch um das wann und das wie – und das warum. Es geht darum, ob die Frage sinnvoll gestellt ist. Wir schlagen vor: erstens die Diskussion nicht auf „die Rechten“ zu beschränken, sondern sie auszuweiten auf all jene, deren Positionen, Haltungen, Lebensformen einem selbst inakzeptabel erscheinen. Die Linken. Die Populisten. Die Sexisten. Die Traditionalisten. Zweitens das Abstrakt-Prinzipielle zu konkretisieren. Wie, wann und worüber soll ein überzeugter Grüner mit einem Konservativen reden, der gerade die AfD gewählt hat? Wie und wann soll eine Feministin mit einem Macho reden, der um den Verlust seiner männlichen Privilegien fürchtet? Und drittens zwischen verschiedenen Arten des „Redens“ zu differenzieren. Wir schlagen folgende Unterscheidung vor: Beim diskursiven Reden geht es …

Streit ums Urheberrecht – Das digitale Leben der anderen

Von Lena Frings Was soll die von der EU beschlossene Urheberrechtsreform leisten? Und wieso wird die Debatte darüber mit so viel Unverständnis auf allen Seiten geführt? Unsere Autorin meint, hier prallen verschiedene Lebensformen aufeinander. Ein Versuch, die verworrene Diskussion um Uploadfilter, Freiheit und Lebensrealitäten zu verstehen.  Eltern verstehen ihre Kinder oftmals nicht mehr, wenn diese Tage mit ihrem Smartphone im Bett verbringen, wenn sie plötzlich alte verwaschene Klamotten aus den 90er Jahren tragen, ihr ganzes Geld für ein weiteres Paar 97er Air Max ausgeben und behaupten Gras sei weniger schädlich als Alkohol. Warum tönt jetzt schon wieder diese eintönige Stimme von diesem Yung Hurn aus dem Kinderzimmer? Was soll das heißen: „Lachs Anthem“? Die Jugendlichen finden neue Peergroups mit denen sie sich identifizieren und mit denen sie eine andere Sprache sprechen. Nicht selten haben sie das Gefühl, dass die Eltern nicht mehr wissen, worum es dabei geht. Einen ähnlichen Anschein machte die Debatte um die EU-Urheberrechtsreform, die mit viel Polemik und wenig Verständnis geführt wurde. Die Befürworter der Reform, in dieser Analogie die Eltern, verstanden …

Bezahlbarer (T)Raum? 

Glückseligkeit ist für Aristoteles das einzige Gut, welches um seiner selbst willen angestrebt wird. Aber auch der „Glückselige wird wohl in äußeren guten Verhältnissen leben müssen“. Unter guten Verhältnissen versteht Aristoteles kein angehäuftes Vermögen, sondern lediglich ausreichend materielle Güter, um sich dem tugendhaften Handeln widmen zu können. Auch Martha Nussbaum philosophiert in Anlehnung an Aristoteles darüber, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit Menschen gut leben und ihr Potential entfalten können. Erst bestimmte Minimalbedingungen ermöglichen ein „truly flourishing human life“; Nussbaum spricht von »Fähigkeiten« (capabilities). So entspringt die menschliche Fähigkeit eine Unterkunft zu haben, dem tiefen menschlichen Bedürfnis nach Schutz. Eine Unterkunft scheint jedoch nicht immer selbstverständlich zu sein, zumindest nicht zu einem angemessenen Preis, denn zehntausende trieb es am 06. und 07. April deutschlandweit für bezahlbaren Wohnraum auf die Straßen. Was heißt es, die eigene Wohnung nach einer Mieterhöhung nicht mehr zahlen zu können? Die Sorgen, die damit einhergehen, sind für viel existentiell. Es kann bedeuten, an den Stadtrand verdrängt zu werden, enger zusammen rücken zu müssen oder einfach nicht in München studieren zu können. …