Alle Artikel in: Aktuell

Immer schön anständig bleiben? Unsere Ausgabe 2/2020 ist da!

Anstand – wie das klingt! Man denkt an Eltern, die einen ermahnen: „Zieh dir was Anständiges an!“ oder an die Benimmregeln von Adolph Freiherr von Knigge. Es klingt etwas altbacken, aber Anstand ist vielleicht tatsächlich genau das, was wir brauchen. Es gibt eine Vielfalt anspruchsvoller Moralphilosophie für den ethischen Umgang zwischen den Menschen. Aber wie bekommt man die Balance hin zwischen gutem Benehmen und Authentizität, zwischen Idealismus und Pragmatismus, zwischen eigenem Vorteilsstreben und Achtsamkeit? In unserem Titelessay schlagen wir zehn alltagstaugliche Maximen vor. Außerdem schauen wir in einem zweiteiligen Schwerpunkt auf die Zukunft der Medizin. Die Digitalisierung der Heilkunst führt zu einem grundlegenden Wandel im medizinischen Paradigma, der uns alle betrifft. Im großen Interview spricht diesmal der Londoner Starphilosoph Alain de Botton über das gute Leben, die Liebe und die Emotionen – und erklärt britisch kühl, warum er kein Romantiker ist. Gehört Alain de Botton eigentlich zur »Elite«? Wer oder was »Elite« eigentlich ist, auch darüber gibt es einen Essay. Und wir nähern uns dem Phänomen der Wärme – sie ist viel mehr als Temperatur: …

Die Wissenschaft vom richtigen Leben

Weisheit war bis vor Kurzem die Domäne der Philosophen. Jetzt entdecken Ökonomen und Psychologen sie neu. Ist das gut?   Der Physiker Paul Frampton ist ein Mann von Welt. Er hat die britische und die amerikanische Staatsbürgerschaft. Er war »Distinguished Professor of Physics and Astronomy« an der University of North Carolina in Chapel Hill. Seine Entwürfe einer »Theorie für alles« inspirierten eine Reihe von Experimenten am LHC, dem größten Teilchenbeschleuniger der Welt am Europäischen Kernforschungszentrum Cern bei Genf. Wie kommt solch ein hochintelligenter Mann dazu, sich an einem argentinischen Flughafen mit zwei Kilogramm Kokain im Koffer erwischen zu lassen? Im Jahr 2011, im Alter von 67 Jahren, begann Frampton mit Online-Dating. Bald entspann sich ein Kontakt zu einem Model namens Denise Milani, die im Internet kein Geheimnis aus der Größe ihrer Brüste machte. Dann lud Milani den Physiker ein, sie bei einem Shooting in Bolivien zu besuchen. Frampton flog hin, fand dort aber keine Milani vor, sondern nur eine Nachricht, sie sei ­bereits nach Argentinien weitergereist. Ob er nachkommen und ihren Koffer, den sie leider …

Zwergenwahl

Erwachsene dürfen wählen, Kinder und Jugendliche unter 18 jahren nicht. Das ist ungerecht. Eine leicht spielerisch-utopische Betrachtung. Die Jugend genießt in unserem Land etliche Rechte und Freiheiten. Schon ab dem ersten Lebensjahr ist es dem deutschen Bundesbürger erlaubt, demonstrieren zu gehen (so weit ihn seine Beinchen tragen!). Niemand kann ­einen 13-Jährigen einsperren, weil er gerade Bock hatte, den Schmuck seiner Stiefmutter zu klauen. Die Strafmündigkeit beginnt nämlich erst mit 14 Jahren. Zum Ausgleich für letztere Zumutung darf man sich dafür schon ab 17 als Soldat verpflichten. Angesichts dieser Logik fragt sich der philosophisch Versierte: Auf welch kryptischer Numerologie fußt der Sinn solcher Gesetze? Welch magischen Trunk hatten die Gesetzgeber wohl intus, als sie überdies stipulierten, dass dem Menschen das Grundrecht der Wahl erst nach Vollendung des 18. Lebensjahrs zustehen solle? Der Zustand der »Volljährigkeit« hat seinen historischen Ursprung im noch von Bismarck unterzeichneten »Gesetz, betreffend das Alter der Großjährigkeit« von 1875. »Volljährig« heißt nichts anderes, als dass man ab dem 18. Geburtstag (ursprünglich 21.) vollautomatisch aus ­seinem Zustand gesammelter Unfähigkeiten ­erlöst wird. Es macht klick, …

Ich sehe was, was du nicht siehst! Die Ausgabe 1/2020 ist da

»Hohe Luft« – was soll das eigentlich heißen? Diese Frage begleitet uns seit der Gründung unseres Magazins 2011. »Das klingt ja esoterisch«, meinten manche. Tatsächlich ist Hoheluft der Stadtteil von Hamburg, in dem unser Verlag sitzt – und eine Wortschöpfung aus Friedrich Nietzsches »Genealogie der Moral«. In dieser Ausgabe aber machen wir die Esoterik zum Thema. Wir versuchen, dem spannenden Verhältnis von Philosophie und Esoterik auf den Grund zu gehen. Wie eng die historische Verbindung zwischen beiden ist, zeigt ein berühmtes Zitat des Renaissance-Philosophen Pico della Mirandola, den wir in dieser Ausgabe auch portraitieren. In seiner »Rede über die Würde des Menschen« heißt es, gerichtet an denselben: »Du kannst zum Niedrigeren, zum Tierischen entarten. Du kannst aber auch zum Höheren, zum Göttlichen wiedergeboren werden, wenn deine Seele es beschließt.« Die Stelle wird gemeinhin humanistisch im Sinn der freien menschlichen Wandlungs- und Entfaltungsmöglichkeiten interpretiert. Tatsächlich aber kann man sie auch esoterisch-spirituell deuten, gerade weil della Mirandola auch stark geprägt war von der Kabbala und anderen mystischen Quellen. Außerdem im Heft: Ein Interview mit Dietmar Dath, ein …

Die Macht der Körper

Der Feminismus ist präsent wie nie – auf dem Buchmarkt, in der Mode und in den sozialen Medien, und er wird zugleich heftig kritisiert. Zeit für eine Bestandsaufnahme, nicht der Geschlechtergerechtigkeit, sondern des Kampfes dafür. Wie steht es um den modernen Feminismus? Vor ein paar Monaten feierte »Sex and the City« Geburtstag: Zwanzig Jahre ist es her, dass die Serie zum ersten Mal im Fernsehen lief und in Folge zum Mega-Hit und kulturellen Fixpunkt mehrerer Generationen junger Frauen wurde, die die Serie auch für ihren Feminismus feierten. Schließlich dreht sie sich um vier New Yorker Freundinnen, allesamt: erfolgreich im Job, finanziell unabhängig, sexuell selbstbewusst und mit zahlreichen Affären beschäftigt, über die sie auch offen diskutieren. In einer Interview-Reihe des »Guardian« über die Serie schwärmte ein Fan: »Endlich konnte man über Vibratoren sprechen.« Das war 2003. Doch als jetzt, anlässlich des Jubi­läums, zurückgeschaut wurde, waren viele Frauen – nicht selten die gleichen, die in der Serie damals eine Befreiung sahen – irritiert. Vielen erscheint sie nun gar nicht mehr so feministisch. Sie stören sich daran, dass …

Das fatale Phantasma

Wie kann es sein, dass immer wieder Antisemitismus aufkommt? Selbst bei uns, im Land des Holocaust? Wie ist umzugehen mit jenem Phänomen, das sich der rationalen Diskussion entzieht? Es gibt nur einen Weg: Wir müssen die Projektionen verstehen, die mit Antisemitismus zusammenhängen – immer wieder aufs Neue. Dieser Text aus stammt aus unserer Ausgabe 6/2018. Aus gegebenem Anlass veröffentlichen wir ihn nun online. »Mir wurde offenbar, was sonst niemand anderes sah«, rappt Kollegah in seinem Song »Apokalypse«, einem 13-minütigen Epos über den Kampf zwischen Gut und Böse, in dem er den Retter der Welt spielt. Dieser Retter hat die »verbotenen Schriften« gelesen und die »Symbole« erkannt: »Jetzt weiß ich, was das Geheimnis der Erleuchteten war, erkenn’ am heutigen Tag ihren teuflischen Plan«. Wer diese »Erleuchteten« sind, wird nicht klar benannt, Kollegah vermischt diverse Mythen und Verschwörungstheorien, aber die finale Schlacht kämpft er in Jerusalem gegen eine »endlose Macht auf dem Tempelberg«. Klarer geht Judenhass kaum. Und klassischer in seinen Motiven auch nicht. Da ist es wieder, das Phantasma einer jüdischen Weltverschwörung – in einem Musikvideo …

Hegel und der Brexit

»Die Weltgeschichte ist der Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit«, ist ein berühmter Satz aus Georg Wilhelm Friedrich Hegels Vorlesungen über die Geschichte der Geschichte, die er in den 1820er Jahren hielt – zwei Jahrhunderte vor dem Brexit. Wenn sich heute jemand seine Freiheit ins Bewusstsein rufen möchte, kann er einen Blick auf seinen Reisepass werfen. »Europäische Union« steht drauf, er weist seinen Besitzer mithin auch als Bürger Lapplands, Transsylvaniens und Kataloniens aus, was ihn zum wohl größten Ausweis von Freiheit in der bisherigen Weltgeschichte macht. Die Briten geben diese Freiheit nun auf, ob willentlich oder nicht, versteht wohl niemand mehr so ganz. Was würde Hegel dazu sagen? Er hat in seinen Vorlesungen tatsächlich etwas dazu gesagt: »Der Engländer hat das Gefühl der Freiheit im besonderen; er bekümmert sich nicht um den Verstand, sondern im Gegenteil fühlt sich um so mehr frei, je mehr das, was er tut oder tun kann, gegen den Verstand, d. h. gegen allgemeine Bestimmungen, ist.« Wie immer das Brexit-Drama ausgeht, am Ende wird Hegel Recht gehabt haben. Tobias Hürter

Ist Martin Heideggers »Sein und Zeit« ein Plagiat?

Der italienisch-österreichisch-jüdische Philosoph, Dichter und Maler Carlo Michelstaedter (1887–1910) ist eine wenig bekannte Figur der europäischen Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts. Unter Eingeweihten gilt sein verrätseltes Werk als Geheimtipp. Seine philosophische Dissertation erschien nach seinem Freitod mit 23 Jahren unter dem Titel Überzeugung und Rhetorik. Bereits in den Dreißigerjahren stieß man auf frappierende Parallelen zwischen Michelstaedters Dissertation und Martin Heideggers 1927 erschienenem Welterfolg Sein und Zeit. In »Schein und Zeit« geht unser Chefredakteur Thomas Vašek diesen Spuren erstmals umfassend nach und zeichnet das Bild einer geistigen Verwandtschaft, die ein völlig neues Licht auf Heideggers Hauptwerk wirft. Dabei stellt sich nicht zuletzt auch die Frage: Wie viel Michelstaedter steckt in Heidegger, wie viel Überzeugung und Rhetorik in Sein und Zeit? Das Buch in jetzt bei Matthes & Seitz erschienen. Mehr Informationen hier  

Pro und Contra: Politische Karikaturen

Die »New York Times« veröffentlicht künftig keine politischen Karikaturen mehr. Was soll man davon halten? Brauchen wir sie zur Meinungsbildung?   pro Zu jeder ordentlichen Zeitung eines freien, demokratischen Landes gehört eine Meinungsseite, zu jeder Meinungsseite die Kritik an den herrschenden Verhältnissen, Normen, Akteuren. In einem Umfeld, in dem es von allem zu viel zu geben scheint – zu viele Fakten, Meinungen, Bilder –, erhebt sich die Frage, welche Form von Kritik heutige Leser überhaupt noch zum Nachdenken bringen kann. Die draufhauerische? Als sich die »New York Times« entschied, künftig auf politische Karikaturen zu verzichten, votierte sie damit auch gegen kritische Ambivalenz. Denn keine Karikatur, sie mag noch so platte Stereotype befördern, »sagt«, was sie meint. Wie jedes Bild produziert sie unkontrollierbare rhetorische Effekte, die die mutmaßliche Intention ihres Schöpfers an Wirkkraft weit überragen. Wo die Existenzberechtigung politischer Karikaturen in Zeitungen verneint wird, weil diese (auch) beleidigen, empören und kränken können, wird nicht nur die Notwendigkeit von Freiheit bestritten – mit all ihren Chancen und Gefahren. Dort wird auch so getan, als könnte man Menschen …

Jung gegen Alt? Ausgabe 6/2019 ist da!

Greta will, dass die Alten Panik haben, Rezo die CDU zerstören. Den Jungen reicht’s! Und was machen die Alten? Erleben wir gerade einen Generationenkonflikt ganz neuen Ausmaßes? In unserem Titelessay beleuchten wir das Thema jung vs. alt einmal auf ganz andere Art: als einen Kampf, der lebenslang in uns selbst tobt. Zum Altwerden gehört auch, dass man seine Talente kennt und entfaltet hat – oder eben nicht. Dazu der Essay unseres »young potential« Maja Beckers. Ob es gerecht ist, dass manche talentierter sind als andere, dazu brauchen wir einen Begriff davon, was Gerechtigkeit überhaupt ist. Dazu lesen Sie einen historischen Überblick von Tobias Hürter. Wie Wettbewerbe ablaufen, das ist jedenfalls nicht immer gerecht oder fair. Dennoch plädieren wir – wider ein Übermaß von Konsens und Harmonie – für Wettbewerb, weil er uns ermöglicht, unsere Fähigkeiten an anderen zu messen. In dieser Ausgabe finden Sie auch ein scheinbar unphilosophisches Thema: das Riechen und seine Bedeutung für unser Leben. Wir sind heute mehr denn je der Meinung, dass sich Philosophie auch für Themen öffnen muss, die in …