Autor: HOHE LUFT Magazin

Die Perfidie des Pirinçci

Auf der Versammlung anlässlich des einjährigen Jubiläums der islamfeindlichen Pegida hielt der ehemals als Katzenkrimi-Autor bekannte Schriftsteller Akif Pirinçci eine flammende Hassrede. Sein Satz „Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb“ hat heftige Reaktionen ausgelöst. Der Philosoph Daniel-Pascal Zorn ist der Ansicht, das schlimmste an der Rede sei die Verkehrung von Täter und Opfer, die sich in der Rhetorik vieler aufstrebender Rechtspopulisten finden lässt. 

HOHE LUFTpost – Kant und die Flüchtlinge

HOHE LUFTpost vom 16.10.2015: Kant und die Flüchtlinge Was hätte Immanuel Kant zur Debatte um den Umgang mit den Flüchtlingen gesagt? Schon die Frage ist dubios, schließlich ist Kant seit mehr als 200 Jahren tot und kann sich nicht gegen Vereinnahmungen wehren. Aber sie liegt nun mal auf dem Tisch. Angefangen hatte der Berliner Philosoph und Vielredner Byung-Chul Han, der die Flüchtlingspolitik vieler europäischer Staaten als rein eigennützig und daher im Sinne Kants zwar rational, aber unvernünftig kritisierte. Konservative Debattierer hielten dem entgegen, Kant habe in seiner Schrift »Zum ewigen Frieden« Flüchtlingen zwar ein Besuchsrecht zugesprochen, aber kein Bleiberecht. Als Kant lebte, war Europa durch die Feldzüge Napoleons aufgemischt, die Sehnsucht nach Frieden war groß. Flüchtlinge waren damals mindestens so präsent wie heute, und ihre Behandlung, zum Beispiel der Umgang mit vertriebenen Juden, entsprach keineswegs immer Kants Vorstellungen von Menschlichkeit. In »Zum ewigen Frieden« suchte Kant nach den Bedingungen für stabile, friedliche Verhältnisse. Dazu zählte er auch ein »Recht der Hospitalität«: Zwar dürfen Staaten Besucher ablehnen, aber nicht gewaltsam, und nicht, wenn es zu deren …

Na logisch!

Daniel-Pascal Zorn ist Philosoph mit Schwerpunkt Argumentationstheorie und philosophischer Dialektik. Er schreibt einen Blog über reflexive Logik und ab jetzt jeden zweiten Freitag auf dem HOHE LUFT-Blog eine Kolumne über die Tücken der Argumentation, Denkfehler und logische Fallstricke. Hier kommt Folge 1! Philosophie als Kunst der Rechtfertigung Wir alle sind tagtäglich in Diskussionen mit anderen Menschen verstrickt. Wir diskutieren über das Essen, das Wetter oder das letzte Fußballspiel. Wir diskutieren über tagespolitische Ereignisse, wissenschaftliche Entdeckungen oder Gerüchte, die wir gehört haben. Und wenn es ernst wird – oder spät ist oder wir ein wenig über den Durst getrunken haben –, dann diskutieren wir die grundlegenden Fragen: religiöse Überzeugungen und philosophische Thesen oder Positionen, denen wir zustimmen oder die wir ablehnen.

HOHE LUFTpost – Suizid auf kalifornisch

HOHE LUFTpost vom 09.10.2015: Suizid auf kalifornisch Laut Albert Camus ist es die einzig wichtige philosophische Frage: Leben oder sterben? Die Gesetzgeber des amerikanischen Bundesstaates Kalifornien haben diese Woche todkranken Patienten erlaubt, die Antwort auf diese Frage selbst zu bestimmen. Ärzte dürfen solchen Patienten künftig beim Suizid helfen. Für manche Menschen kompromittiert eine so weitgehende Liberalisierung der Sterbehilfe den Wert des menschlichen Lebens. Manche dieser Menschen denken religiös, sie halten den Wert des Lebens für gottgegeben und uns Menschen für unwürdig, diesen Wert auszulöschen. Camus sah es anders, er fragte nach dem, was dem Leben seinen Wert gibt. In einer absurden Welt, einer Welt ohne Gott, ohne Hoffnung und voller Sünde gebe es nichts, was das Leben wertvoll mache. Man muss Camus nicht in allen seinen Argumenten folgen, aber seinen Ansatz halte ich für richtig: sich der Frage zu stellen, was das Leben eigentlich so wertvoll macht. Meine Antwort darauf: die Möglichkeit ethisch und ästhetisch guter Taten und Erfahrungen. Und ich kann mir Umstände vorstellen, in denen diese Möglichkeit verlorengeht, etwa in manchen Fällen schwerer Krankheit …

HOHE LUFTpost – Die Schuldfrage

HOHE LUFTpost vom 02.10.2015: Die Schuldfrage Der Skandal um manipulierte Dieselmotoren bei Volkswagen kann einem schon wegen der bloßen Zahlen den Atem verschlagen: zig Millionen Autos sind betroffen, um zig Milliarden Euro ist der Börsenwert von VW abgestürzt. Aus philosophischer Sicht jedoch finde ich einen anderen Aspekt nicht weniger spannend: die Handhabung des Skandals. Soweit bisher absehbar, geht es dabei vor allem um Schuld und Verantwortung: Kunden, die sich betrogen fühlen, schließen sich für Sammelklagen zusammen. Der für die Abgastechnik zuständige Zulieferer Bosch zeigt auf VW. Dort sucht man die Manager und Ingenieure, die von den Manipulationen wussten. Strafen und Entschädigungen in vielfacher Milliardenhöhe werden bezahlt werden müssen, einige gutbezahlte VWler werden ihre Posten verlieren. Am Ende der Schuldkette stehen dann vielleicht eine Handvoll Leute. Ist dann die Schuldfrage geklärt? Und ist die Schuldfrage wirklich das, was es in dieser Situation vornehmlich zu klären gilt? Nein und nein. Das Denken in Begriffen von Schuld und Strafe erinnert mich an das Mittelalter, als man allgemein glaubte, durch schuldhaftes Verhalten sei irgendwie das Weltgefüge durcheinandergebracht und müsse …

Fehler machen schön

Kolumne »Schöne Gedanken« »Perfekte Schönheit«, das ist ein etablierter Begriff. Aber er ist auch verdächtig. Ist das, was wir schön finden, was uns anzieht, was wir lieben, wirklich perfekt? Ich bestreite das. Anziehend und liebenswert sind oft gerade die kleinen Fehler. Perfektionismus tötet lebendige Schönheit. »Perfektionismus ist die Stimme des Unterdrückers«, schreibt die amerikanische Schriftstellerin Anne Lamott, »der Feind der Menschen. Er hält uns für immer verkrampft und verrückt.« Sie meinte damit vor allem ihre Arbeit als Autorin – doch ich glaube, es gilt für jede Form von Kreativität und Ästhetik. Fehler machen schön! – Tobias Hürter

HOHE LUFTPOST – ENHANCEMENT AUF BAYERISCH

HOHELUFTpost vom 25.09.2015: Am letzten Wochenende fanden zwei bemerkenswerte Ereignisse statt: In Lech am Arlberg kamen kluge Leute zum Philosophicum zusammen und diskutierten über die Möglichkeiten und Gefahren des »Enhancement«, also der Verbesserung des Menschen mit technischen Mitteln. Und in München begann das Oktoberfest. Hier gelehrte Vorträge und Diskussionen – dort Blasmusik und Bier in Strömen. Auf den ersten Blick haben Philosophicum und Oktoberfest rein gar nichts miteinander zu tun. Auf den zweiten Blick doch einiges. Zwar ging es in Lech mehr um neue Entwicklungen wie Anti-Aging und Gehirnimplantate. Doch Alkohol ist einer der ältesten »Enhancer« der Kulturgeschichte, und neben Koffein der wohl am weitesten verbreitete. Er macht zwar weder schlauer noch schöner (abgesehen vom »Schönsaufen«), hilft jedoch bei der Bewältigung wichtiger sozialer Aufgaben. Unzählige Partnerschaften, Freundschaften und Verträge wären ohne ihn nicht zustandegekommen. Der Moralphilosoph Richard Egenter sprach von der »sozialen Funktion des Alkohols«. Auf dem Oktoberfest zeigt sich diese Funktion besonders eindrucksvoll. Zeitweise eine Million feiernde Menschen drängen sich auf der Theresienwiese, mehr als zwei pro Quadratmeter, und doch passiert erstaunlich wenig. Der …

WAS BRINGT ERFOLG? – DAS NEUE HEFT IST DA!

Wer Leistung bringt, wird Erfolg haben?   – Diese Rechnung ging früher auf. Heute unterliegt Erfolg zunehmend zufälligen Kriterien und nicht immer ist erfolgreich, wem es gebührt. Darum unterziehen wir den Erfolgsbegriff in unserer neuen Ausgabe einer Prüfung und schlagen eine Alternative vor. Außerdem im Heft: Der Wiener Philosoph Armen Avanessian spricht im Interview über seine Theorie des spekulativen Realismus und die Notwendigkeit, die Gegenwart aus der Zukunft zu denken.   – Weitere Themen: Die Philosophie-Giganten Platon und Aristoteles Der Sinn vom Scheitern Was heißt Flucht? Niklas Luhmann im Porträt Mehr Romantik! Im Fokus: Giulio Iacchetti über Qualität

HOHE LUFTPOST – Weil halt!

HOHELUFTpost vom 18.09.2015: Der Fall der amerikanischen Stadtschreiberin Kim Davis wird derzeit heftig diskutiert, und auch Philosophen kann er Kopfzerbrechen bereiten. Es ist ein Testfall für die Frage, was es bedeutet, richtig zu handeln. Nachdem der Oberste Gerichtshof die Homo-Ehe mit der Hetero-Ehe gleichgestellt hatte, weigerte Davis sich, in ihrem Bezirk noch Ehebescheinigungen auszustellen, und verbot dies auch ihren Mitarbeitern. Das neue Rechtsverständnis widerspreche »Gottes Definition von Ehe«, erklärte Davis, die sich zum apostolischen Christentum bekennt. Sie wurde in Haft genommen, aber nach ein paar Tagen wieder entlassen – und kehrte in ihr Amt zurück. Sie kann nicht gefeuert werden, da sie von den Bürgern gewählt wurde. Wann also handelt ein Mensch richtig? Wenn er tugendhaft handelt, sagte Aristoteles. Wenn er dem »inneren Gerichtshof« seines geprüften Gewissens folgt, sagte Immanuel Kant. Beides kann man Davis zuschreiben. Sie zeigte sich tapfer und nahm für ihre Überzeugung einiges auf sich. In gewisser Hinsicht ist sie auch gerecht, da sie homosexuelle und heterosexuelle Paare gleich behandelt. Dennoch glaube ich, dass Davis falsch handelt. Aber nicht, weil sie gegen …

Philosophie am Berg – Das Philosophicum Lech

Den meisten Skigebieten nimmt der Sommer ihren Sinn. Schneelos und einsam verfallen sie in eine regelrechte Starre. Nicht so Lech am Arlberg: Mit dem »Philosophicum« geht die Sinnsuche hier im Sommer erst richtig los. Zum neunzehnten Mal kamen dieses Jahr über 600 Freunde der Weisheit zusammen, um die Vorträgen rund um das Thema der Selbstoptimierung zu hören.